Michelle kannte ich seit ihrem 14. Lebensjahr und begleitete und betreute sie seitdem sehr eng und intensiv auf ihrem Weg. Sie wurde im selben Jahr geboren wie mein Sohn Dorian. Vielleicht auch, weil ich selbst „nur“ Jungs in die Welt gesetzt habe, war sie so etwas wie eine Tochter für mich. Unglaublich, wie sich diese kleine „pubertierende Zicke“ über die Zeit in meinem Herzen eingenistet hat.
Gemeinsam haben wir so viele Höhen und Tiefen durchlebt. Ich habe mit ihr gelacht und geweint, sie angeschrien wenn sie bockig wurde, sie getröstet und ihr Mut gemacht, wenn sie verzweifelt war. Dabei habe ich stets versucht, ihr nicht nur ein gutes Vorbild im Kampf gegen den Krebs zu sein, sondern auch als Mensch, der trotz ihrer eigenen schwierigen Situation Rücksicht und Verständnis für andere aufbringen kann.
Ich wusste sehr wohl, dass wie bei all meinen Schützlingen der Tag kommen wird, an dem der Krebs schließlich siegreich sein würde. Ihr Rhabdomyosarkom ist einfach ein mega-Arschloch, das meistens den Kampf gewinnt. Als es dann soweit war, traf es mich trotz dieses Wissens besonders tief. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon über 150 Menschen beim Sterben begleitet und man hätte meinen müssen, ich wäre daher gut vorbereitet und routiniert im Umgang mit dem Ableben eines weiteren Schützlings gewesen – aber das war ich nicht. Ich bin keine Maschine, sondern ein Mensch mit Ängsten, Sorgen, Gefühlen und viel Empathie. Ich liebe alle meine Schützlinge, aber Michelle war wie bereits erwähnt, zu einer Art Tochter geworden.
Gemeinsam mit ihrer Mutter Simone und anderen Familienmitgliedern haben wir tolle und besondere Dinge erlebt. Wir waren unter anderem zusammen in New York, Amsterdam und im Tropical Island. Wir haben zusammen gekocht, Horrorfilme geschaut und verbrachten ein Wellnesswochenende in einem 5-Sterne Hotel. Michelle bekam außerdem noch einen Ostsee Urlaub mit ihrer Familie und eine Abschiedsfeier mit “Harry Potter”-Motto von Fuck Cancer geschenkt. Gedanken an Michelle sind vollgepackt mit vielen wundervollen Erinnerungen.
Sie starb am 15. Oktober 2019 mit gerade einmal 19 Jahren. Ich hielt ihre Hand beim ihrem finalen Atemzug und spürte buchstäblich ihren letzten Herzschlag. Wenn sie mich braucht, bin ich nach wie vor für ihre Mama Simone, die zu einer sehr guten Freundin geworden ist, da. Michelles letzter Wunsch war eine Raketenbestattung. Ihre Asche wurde mit einer Rakete in den Himmel geschossen und erstrahlte den Nachthimmel Polens als wundervolles Feuerwerk. All das wäre nicht möglich gewesen ohne eure Spenden. All meine Schützlinge haben nur eine begrenzte Zeit und diese Zeit vergeht oft rasend schnell. ZEIT ist das wertvollste Gut für einen sterbenden Menschen und IHR helft mir diese zu gestalten und manchmal zu etwas Besonderem und Wundervollem zu machen. DANKE!